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Der virtuelle Raum als Beratungssetting - ein Selbstversuch



Welches innere Bild entsteht spontan, wenn wir an die Nutzung virtueller Räume für Beratung denken? Sollten wir uns damit befassen, um zukünftig über weitere Möglichkeiten zu verfügen, oder wird das für unsere Zielgruppen in absehbarer Zeit ohnehin nicht infrage kommen? 


Klar ist, Beratung braucht Konzepte, die die jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen des Raumes berücksichtigen. Im physischen Raum setzen wir selbstverständlich Gestaltungselemente. Wir achten auf die Raumgröße, Lichtverhältnisse, Bestuhlung, Technik, freie Fläche für Bewegung oder Aufstellungen und vieles mehr. Im virtuellen Raum müssen die Gestaltungsmöglichkeiten ebenso gezielt ausgewählt und eingesetzt werden, damit Beratungsvorhaben gelingen können. 


Welche Art von erlebter Präsenz bietet die stellvertretende Anwesenheit eines Avatars? Wie funktioniert Interaktion mittels technischer Steuerungsfunktionen? Wie ist die Raumwahrnehmung am Bildschirm oder mittels „Virtual-Reality-Brille“? Ich probiere es aus! 


Die Einführungsveranstaltung des Projektes „eduverse.social“* der Kollegen von Zentrum Bildung und Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN bietet mir dazu eine gute Gelegenheit. Ich habe noch keinerlei Erfahrungen mit virtuellen Räumen und weiß daher nicht, auf welche Einstellungen und Funktionen ich achten muss und wie einzelne Elemente zu bedienen sind. 


Vorab erprobe ich die Steuerung des Avatars, die in einem kurzen Video erklärt wurde. Zunächst ohne Registrierung auf der Plattform nutze ich den Link zum Raum und stolpere mit dem mir zugeteilten Avatar los. Nach nur wenigen Minuten und Dank der Impulse des Moderators klappt es. Ich verstehe die Funktionen, gelange in die Räume, die uns vorgestellt werden (und die übrigens eigens für Bildungsveranstaltungen designt wurden). Es gibt Räume, die für vertrauliche Gespräche geschlossen werden können, einen Saal mit Bühne, einen Marktplatz und in Strandatmosphäre gestaltete Pausenbereiche. Auf Screens können Bilder, Präsentationen und Filme eingespielt werden, also auch Ergebnisse von Gruppenarbeiten. Es ist spürbar, dass reale Raumsettings Pate für diesen virtuellen Bildungsraum standen; fremd wirkt auf mich dagegen das Design - eine Mischung aus Inselwelt von Wasser umgeben und hypermoderner Architektur. 


Hoppla, jetzt bin ich doch von der Treppe heruntergefallen. Mein Avatar ist im Wasser gelandet. Automatisch wird er wieder in den Eingangsbereich gestellt. Von dort aus gehe ich einfach erneut los, denn es macht mir inzwischen richtig Spaß. Ich sehe mit den Augen des Avatars und fühle mich dadurch, als ob ich im Raum sei. Als ob „ich“ mich im Raum bewege und nicht „nur“ mein Avatar. 


Ohne Anmeldung auf der Plattform kann ich selbst nicht sprechen und den Chat nicht bedienen. Wie im echten Raum höre ich die Gespräche der anderen, wenn ich mich ihnen nähere, und auch ihre Namen werden dann eingeblendet. Die Bewegungsmöglichkeiten des Avatars sind allerdings begrenzt. Es gibt „moves“, die an Tanzen erinnern, der Avatar kann winken, rennen und springen. Für virtuelle Spielwelten ist das passend, mit Blick auf Beratungen fehlt z. B. die Möglichkeit, sich zu melden, wenn man sprechen möchte. 


Nach dieser einen Stunde einer für mich völlig neuen Erfahrung bin ich fasziniert, fast euphorisch. Das war einfacher, als ich dachte. Schon diese kurze Einführung hat ausgereicht, um die Rolle zu wechseln und als Moderatorin Kolleg:innen die Möglichkeiten zu zeigen, die dieser Raum bietet. 


Für die professionelle Nutzung müssen die Moderator:innen und Teilnehmende die Technik soweit beherrschen, dass auf die inhaltliche Arbeit fokussiert werden kann. Ich halte es auch für notwendig, Methoden zu entwickeln, die für die Beratung im virtuellen Raum ausgelegt sind. Diese können Möglichkeiten eröffnen, die sonst nicht gegeben sind oder Zielgruppen ansprechen, die anders nicht erreicht werden können. 


Vorstellbar sind Beratungen mit vielen Menschen, die nicht mobil sind und sich so dennoch treffen können, denn auch digitale Konferenztools kommen in diesen Fällen an ihre Grenzen. Auch Beratungen, deren Themen so Tabu behaftet sind, dass das Risiko erkannt zu werden, zur Hürde für die Inanspruchnahme wird, könnten virtuell angedacht werden. An diesen Fragestellungen werden wir im IPOS weiterdenken. Abgesehen von inhaltlichen Aspekten bietet die Nutzung Abwechslung und macht Spaß. 



*https://eduverse.social/ 

Dr. Christopher Scholtz


Sandra Herbener
Projektstudienleitung ekhn2030




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